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Warum das Produkt aus Eintrittswahrscheinlichkeit mal Schadenshöhe zu Fehlentscheidungen führt

Vor Kurzem habe ich auf der Plattform 3GRC den Artikel “Wie wahrscheinlich ist das Unwahrscheinliche” veröffentlicht. In diesem Beitrag lege ich dar, dass die Eintrittswahrscheinlichkeit eines Ereignisses keine Rolle bei der Bewertung eines Risikos spielen darf. Jetzt bin ich auf einen Artikel in der Resiliencepost gestossen, der diese Argumentation bestärkt und zudem ein sehr anschauliches Beispiel hierfür liefert. Ich habe mir daher erlaubt dieses Beispiel aus dem Artikel “zu klauen” und hier etwas modifiziert wiederzugeben.

Sie sind morgens etwas verschlafen und um es noch rechtzeitig mit dem Auto zum Termin ins Büro zu schaffen, müssten Sie die maximal zulässige Höchstgeschwindigkeit auf der Hausstrecke überschreiten. Sie wissen, dass die Geschwindigkeitsüberschreitung einen Strafzettel von 100 Euro nach sich zieht. Sie haben aber in der Tageszeitung gelesen, dass nur jede zehnte Geschwindigkeitsüberschreitung auch erfasst wird. In Gedanken gehen Sie beim Kaffee das Risiko durch. Es ist Monatsende und 100 Euro Strafe würden das Konto ins Minus ziehen. Wenn die Radarfalle zuschnappt, wäre dies also fatal, da dann die Kreditkarte vorübergehend gesperrt wird bis wieder Guthaben auf dem Konto ist. Im Studium haben Sie an einem Kurs über Risikomanagement teilgenommen und aufmerksam gelernt, dass ein Risiko das Produkt aus Eintrittswahrscheinlichkeit und Schadenshöhe ist, hier also 0,1 mal 100 Euro = 10 Euro. Nur leider wissen Sie auch nach dem nächsten Schluck Kaffee immer noch nicht, ob Sie gerade der unglückliche Zehnte sind, oder Sie heute Glück haben werden und davonkommen. Sie werden dem Polizisten, wenn Sie erwischt werden, auch kaum glaubhaft machen können, dass Sie nur 10 statt 100 Euro bezahlen müssen, gemäß Ihrer Risikoberechnung.

Für die anstehende Entscheidung ist die Eintrittswahrscheinlichkeit daher kein guter Ratgeber, denn sie trifft keine Aussage, ob die Radarfalle heute zuschlägt oder nicht. Beim potentiellen finanziellen Schaden sieht die Sache schon anders aus. Am Monatsende bei knapper Kasse sind die 100 Euro Strafe schlechter zu verschmerzen, als bei einem gut gefüllten Konto. Die Risikoabwägung, ob es heute etwas zügiger zur Arbeit geht, wird daher über die Schadenswirkung getroffen und nicht über die Eintrittswahrscheinlichkeit. Auch die Entscheidung zwischen der günstigen Teilkaskoversicherung und der teuren Vollkaskoversicherung hängt von den Schadensfolgen ab. Kann ich mir nach einem selbstverursachten Unfall wieder ein neues Auto aus eigenen Mittels anschaffen oder bin ich auf die Zahlungen der Vollkaskoversicherung angewiesen um wieder mobil zu sein?

Die Eintrittswahrscheinlichkeit hat ihre Berechtigung bei vielen Wiederholungen und großen Portfolien. Bei seltenen Ereignissen mit einer sehr großen Schadenswirkung führt die Betrachtung des Risikos als Produkt von Eintrittswahrscheinlichkeit und Schadenshöhe zu einer Fehlentscheidungen, da die Risiken massiv unterschätzt werden.

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