Was hat der Brexit mit Business Continuity Management zu tun?
In vielen Unternehmen wird derzeit intensives Business Continuity Management betrieben, ohne dass Prozesse, Gebäude oder IT ausgefallen wären. Doch der nahende Brexit und vor allem das drohende Szenario eines harten Brexit am 29. März 2019 treibt vielen Verantwortlichen in den Unternehmen Sorgenfalten auf die Stirn. In Task Forces werden händeringend unter Hochdruck Lösungen für das worst-Case-Szenario entwickelt. Die internationalen Waren- und Dienstleistungsströme sind bilden den Blutkreislauf der Wirtschaft. Kommt es hier zu Störungen oder Unterbrechungen, müssen Produktionsabläufe neu organisiert werden oder kommen gar vollständig zum Erliegen. Die Zölle im US-amerikanischen Handelskrieg haben bereits ein weltweites Umlenken von Produktion und Lieferströmen insbesondere bei landwirtschaftlichen Erzeugnissen und Fahrzeugen ausgelöst. China bezieht Sojabohnen mittlerweile vorwiegend aus Brasilien und Argentinien, dafür wollen die US-Farmer verstärkt Europa mit ihren Produkten beliefern. Ganze Tankerflotten ändern ihre Routen über die Meere. Die Produktion hochwertiger SUV der Marke BMW wird vom Werk in Spartanburg in den USA nach China verlagert. Die über Jahre optimierte Dienstleister- und Transportlogistik muss kurzfristig an die neuen Anforderungen angepasst werden. Auch viele Zulieferer, die in der unmittelbaren Nähe der Produktionsstandorte beheimatet sind, werden hiervon betroffen. Auch sie müssen den neuen Produktionsstandorten folgen, um die just-in-time-Lieferungen aufrecht erhalten zu können. Ein weiteres Beispiel für die Bedeutung der Transportlogistik ist der aktuell extrem niedrige Pegelstand des Rheins. Lastschiffe auf dem Rhein können auf Grund des niedrigen Pegelstands nur mit halber Ladung fahren. Der Rhein ist jedoch ein zentraler Transportweg für die Mineralölprodukte der am Rhein gelegenen Raffinerien. Mittlerweile führt dieser Transportengpass bereits zu Lieferengpässen und steigenden Preisen bei Treibstoffen für die Verbraucher.
Der Brexit stellt die Unternehmen jedoch noch vor ganz andere Herausforderungen. Kurbelwellen im Motor eines BMW Mini überqueren insgesamt vier Mal den Ärmelkanal von einer Zwischen-Verarbeitungsstätte zur Nächsten, bis sie schließlich fertig bearbeitet just in time geliefert und in den neuen Fahrzeugen eingebaut werden. Alleine der zusätzliche Zeitbedarf für die Abwicklung von Zollformalitäten an den neu geschaffenen EU-Aussengrenzen würde die gesamte Logistik durcheinanderbringen. Das Zwischenlagern von Vorprodukten im englischen Werk ist aus Platz- und Kostengründen keine Alternative. BMW hat sich daher entschlossen, Wartungsarbeiten vorzuziehen und das Werk am 30. März für vier Wochen zu schließen. Für den Flugzeughersteller Airbus ist dies keine Option. Daher werden derzeit die Flugzeugteile quer durch Europa an die jeweiligen Produktionsstandorte geflogen, um die Produktion nach dem Brexit aufrecht erhalten zu können.
Mit den präventiven Vorbereitungen auf den harten Brexit werden derzeit umfangreiche Projekte vergleichbar den Vorbereitungen auf den Jahreswechsel 2000 “Y2K” durchgeführt. Vielen Unternehmen ist hierbei gar nicht bewusst, dass sie eigentlich Business Continuity Management betreiben. Es wäre daher schade, wenn dieses Know How und Erfahrung nach einem hoffentlich in letzter Minute abgewendeten harten Brexit wieder verloren gehen würde. Business Resilience bedeutet, diese Lessons learned im Unternehmen, zum Beispiel in Form von BCM-Plänen, zu verankern und das Wissen und die Erfahrungen für andere Notfälle in der Lieferkette vorzuhalten.
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