Wenn die kritische Ressource “Personal” ausfällt

Dieser Artikel ist im aktuellen BCM-Sonderheft des Sicherheits-Berater erstmalig erschienen.

Im Business Continuity Management (BCM) gibt es vier grundsätzliche BCM-Szenarien, für die im Rahmen der Notfallplanung Vorsorge getroffen wird. Neben dem Ausfall der IT und Telekommunikation, Gebäude sowie Dienstleister ist ein wesentliches BCM-Szenario der Ausfall von Personal zur Durchführung der kritischen Geschäftsprozesse. Das BCM geht in der Planung von der Wirkungsseite aus, da nicht für jede der vielen möglichen Ursachen ein Notfallplan erstellt werden kann. Die Ursachen, die zu einem Personalausfall führen können, sind sehr vielfältig. Sie reichen von einer Erkrankung einer hohen Anzahl an Mitarbeitern (Beispiele hierfür sind Grippe-Epidemien oder Norovirus-Infektionen), der Ausfall von „Kopf-Monopolen“, Streiks der Mitarbeiter bis hin zu Verkehrsbehinderungen der Arbeitswege (zum Beispiel die mehrtägigen europaweiten Flugausfälle durch den Ausbruch des isländischen Vulkans Eyjafjallajökull im April 2010).

Viele kritischen Prozesse eines Unternehmens hängen von der Verfügbarkeit einer relativ kleinen Anzahl an Mitarbeitern ab, die über spezifische Fähigkeiten, Ausbildungen und Zulassungen verfügen. Dies ist häufig im IT-Umfeld der Fall, wo Spezialwissen für den Betrieb der Systeme und Anwendungen erforderlich ist. Aber auch in den Fachbereichen können Spezialisten, wie zum Beispiel Wertpapierhändler, nicht einfach durch andere Mitarbeiter ersetzt werden. Volkswirtschaftlich betrachtet gibt es einzelne Berufsgruppen, insbesondere in den Kritischen Infrastrukturen, die für das Funktionieren dieser Infrastrukturen zwingend erforderlich sind. Besonders schmerzlich wird dies durch die Streiks der Piloten, Lokführer und Mitarbeiter der Flugsicherheit bewusst. Große mediale Aufmerksamkeit hat der Ausfall der Fahrdienstleiter der Bahn im Stellwerk Mainz im August 2013 erhalten: Von 15 Fahrdienstleitern waren vier krank und drei in Urlaub. Diese Mitarbeiterausfälle führten zu tagelangen Störungen des Bahnbetriebs in Mainz. Die Fahrdienstleiter sind auf die Besonderheiten des jeweiligen Stellwerks ausgebildet, sodass sie nicht einfach austauschbar sind. Eine Rückholung von Mitarbeitern aus dem Urlaub ist nur auf freiwilliger Basis möglich und hat in diesem Falle trotz Einschaltung des Top-Managements der Bahn nicht funktioniert. Eine mehr als peinliche Situation, wie die Bahn selbst öffentlich eingestehen musste. Für schadensmindernde Maßnahmen war es leider zu spät. Hohn und Spott ergoss sich medial über die Bahn. Kein Unternehmen wünscht sich diese Situation. Mit etwas Vorbereitung und Planung im Rahmen des Business Continuity Managements lassen sich derartige Notfälle vermeiden und die Folgen mindern.

Sich darauf zu verlassen, dass das Schicksal schon nicht zuschlagen wird, ist grob fahrlässig. Das Korsett für die Maßnahmen, die bei einem Personalausfall zur Verfügung stehen, ist sehr eng geschnürt: Es gilt das Arbeitsrecht zu beachten, Betriebsvereinbarungen und betriebliche Übungen wie auch soziale Belange der Mitarbeiter von zum Beispiel alleinerziehenden Elternteilen. Hat das Schicksal erst einmal zugeschlagen, können die Folgen kaum mehr abgemildert werden.

„Be prepared“ gilt für das Szenario „Personalausfall“ daher in ganz besonderem Maße. Hinzu kommt, dass viele Bereiche im Unternehmen in die Notfallplanung mit eingebunden werden müssen. Hierzu zählen insbesondere neben den Fachabteilungen die Bereiche Personal, Recht und die Mitarbeitervertretungen.

Eine sehr empfehlenswerte Herangehensweise an die Vorsorge für Personalausfälle ist der BCM-Lebenszyklus, bestehend aus den Phasen:

1.Verstehen des Geschäfts/Business Impact Analyse:

  • Wieviel Personalausfall ist wann verkraftbar (kritische Termine und Zeiten, wie zum Beispiel Saisonzeiten)?
  • Wo gibt es „Kopfmonopole“, die nicht ersetzbar sind?
  • In welchen Geschäftsprozessen wirkt sich ein Personalausfall besonders kritisch aus?

2. Risiko-Assessment:

  • Für welche Standorte, Prozesse sind welche Risiken relevant mit welchen Eintrittswahrscheinlichkeiten und Schadensfolgen?
  • Welche Risikoszenarien (Ursachen) können eintreten Bsp. (Krankheiten/Epidemien, Ausfall von Verkehrsmitteln, Mitarbeiter in Krisenregionen etc.)

3. Entwicklung von Notfallstrategien:

(wie kann ein Personalausfall kompensiert werden)? Bei der Entwicklung können und müssen Sie kreativ werden. Prüfen Sie auch zunächst undenkbare Optionen wie zum Beispiel die Kooperation mit Mitbewerbern.
Beispiele für Notfallstrategien sind:

  • Arbeit von zu Hause bei Ausfall von Verkehrsmitteln oder Krankheitsausbrüchen
  • Einsatz von Mitarbeitern aus anderen Standorten oder Bereichen
  • Verlagerung von Prozessen und Tätigkeiten auf andere Standorte
  • Verlagerung von Prozessen und Tätigkeiten auf externe Dienstleister oder kooperierende Unternehmen
  • Einsatz nicht gewerkschaftlich organisierter Mitarbeiter bei Streiks
  • Einsatz externen Personals von Personaldienstleistern

4. Notfallplanung:

  • Konkretisierung der ausgewählten Notfallstrategie für jeden Prozess
  • Welche Rolle macht was, wann mit wem wenn das Szenario eintritt?
  • Dokumentation der Notfallplanung in einem Planungshandbuch oder BCM-Tool

5. Tests und Übungen:

  • Kein Plan ist perfekt und wird auf Anhieb funktionieren!
  • Tests und Übungen trainieren die Mitarbeiter im Vorgehen und machen sie handlungssicherer in außergewöhnlichen Situationen.
  • Tests und Übungen decken Schwachstellen in der Strategie und Planung auf. Ziel ist die Identifikation der Schwachstellen und nicht ein fehlerfreier Test.

Was sind die kritischen Erfolgsfaktoren für eine gute Vorbereitung auf das Szenario „Personalausfall“?

  • Die frühzeitige Einbindung aller relevanten Fachbereiche, insbesondere neben den Fachbereichen mit kritischem Personal die Bereiche Personal, Recht sowie die Mitarbeitervertretungen. Ja, das ist zuweilen mühsam und sehr zeitaufwendig. Aber Fehler beim „Abholen“ dieser Stakeholder kosten noch viel mehr Zeit und Mühe.
  • Tests und Übungen der Vorsorgemaßnahmen stellen das Funktionieren der Planung sicher, sensibilisieren zeitgleich aber auch die Mitarbeiter und das Management für das Business Continuity Management. Bauen Sie einen Spaßfaktor in Tests und Übungen ein, angefangen bei einer guten Verpflegung und einer abrundenden Abschlußveranstaltung. Laden Sie das Management zu Übungen ein. Dies motiviert die Mitarbeiter und erhöht gleichzeitig die Awareness für das BCM beim Management. Eine kurze Ansprache zu Übungsbeginn kann viel bewegen!

Ich wünsche Ihnen, dass dies alles Theorie und Übung für sie bleiben wird und dass Sie nicht plötzlich ein Anruf erreicht „Uns ist gerade ein Drittel des Personals wegen Brechdurchfall ausgefallen und es werden immer mehr“, wie es mir in meiner Praxis als BC Manager ergangen ist. In diesem Moment werden Sie jede Stunde der Vorbereitung, die sie investiert haben, zu schätzen wissen. Beginnen Sie jetzt. Be prepared!

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