Kommentar: Die Verführungen eine Business Continuity Managers

Business Continuity Manager sind auch nur Menschen und auch in diesem Job lauern Verführungen, die den BC Manager leicht vom rechten Weg abbringen können. Das beginnt mit der Business Impact Analyse. Auf den Geschäftsprozessen soll sie basieren. Und natürlich Wertschöpfungsketten durch die gesamte (nationale und internationale) Organisation unter Einbeziehung der Dienstleister berücksichtigen. Geschäftsprozesse? Ein alter Hut, möchte man denken.

1990 habe ich meine Diplomarbeit bei IBM zu diesem Thema geschrieben. Tools zur Dokumentation von Geschäftsprozessen habe ich evaluiert. ARIS hat kurz danach den Markt im Sturm erobert und mittlerweile haben sich zahlreiche gleichwertige Mitbewerber am Markt für Geschäftsprozessmodellierung etabliert. Prozesskostenrechnung hatte im Rechnungswesen einen richtigen Hype. Doch die Realität sieht oftmals ernüchternd aus. Was ist  aus dem großen Invest, den zahlreichen Mitarbeitertagen geworden, die in die Prozessmodellierung investiert wurden. Oftmals detaillierte granular modellierte Aktivitäten, professionell in Tools modelliert. Doch gefragt nach der Aktualität erhält man dann ein Achselzucken. Es hat sich niemand gefunden, der die schönen Modelle aktualisieren möchte. Warum auch? Die Welt entwickelt sich so schnell weiter und funktioniert auch ohne Prozessmodell im Tool ganz gut. Gibt es tatsächlich ein aktuelles Geschäftsprozessmodell, ist dies oftmals so detailliert und granular, dass es verdammt schwierig wird den richtigen Ansatzpunkt für die BIA zu finden. Da kommt das BCM gerade richtig! Endlich ein Anwender für das friedlich schlummernde Prozessmodell. Und schon blinzelt die erste große Verführung den BC Manager an. Ja, modelliert die Prozesse, end to end, natürlich mitsamt der Supply Chain. Auf dieser Grundlage, und nur auf dieser, lässt sich dann doch ein tolles BCM aufbauen. Viele Freunde würde man im Unternehmen gewinnen. Und ein Bedarf und Budget ist über das BCM jetzt ja auch da. Als BC Manager will man seinen Job ja so gut als möglich machen. Also ran an die Prozesse. Das kann ja nicht so schwer sein. Wer jetzt sein Ziel, die Implementierung des BCM, aus den Augen verliert, wandelt schnell auf Abwegen in ganz andere Richtungen. Monate, Jahre harter Arbeit kann man mit diesem anspruchsvollen Thema verbringen und viel Budget investieren. Doch mit dem BCM kommt man während dieses Ausflugs in anderes Terrain leider keinen Zentimeter weiter. Es gilt also der süßen Versuchung zu widerstehen. Das geht nur unter Akzeptieren von Kompromissen. Aber besser mit einer 80 prozentigen Lösung anfangen, als Zeit und Budget und Nerven auf “Nebenkriegsschauplätzen” verlieren. BCM kann das Thema Geschäftsprozessmodellierung im Unternehmen wieder aktivieren und den praktischen Nutzwert anhand des Business Continuity Management aufzeigen. Gerne arbeiten wir mit den Kollegen vom Prozessmanagement Hand in Hand zusammen. Wir wollen sie aber nicht arbeitslos machen. Bei der Umsetzung der BIA lauert dann auch schon der nächste Verführer an der Ecke. Dieses mal hinter IT-Türen. Die Geschäftsprozesse sollen IT-Services zugeordnet werden, ist der BCM-Gedanke. Dafür braucht es einen IT-Servicekatalog. Dann können die Prozessexperten einfach die für die Geschäftsprozesse notwendigen IT-Services zuordnen und die Anforderungen an den Notbetrieb definieren. Ein IT-Servicekatalog ist eine feine Sache – wenn er existiert und aktuell ist. Auch den IT-Servicekatalog gibt es mindestens seit ITIL. Zahlreiche Seminar-Flyer künden davon, dass dies immer noch ein aktuelles Thema ist. Ach wäre es schön, wenn das BCM mal by the way auch einen IT-Servicekatalog erstellen würde. Aber was so einfach erscheint, hat seine Tücken. Manches Unternehmen hat ganze Projektteams an diesem Thema verschlissen. Alleine die akademische Fragestellung, was denn nun eigentlich ein IT-Service sei, kann ganze IT-Abteilung zutiefst spalten. Sind die Anforderungen aus den Geschäftsprozessen an die IT-Services erhoben, müssen diese auch abgestimmt und dokumentiert werden. Service Level Agreements und Operational Level Agreements sind hier das Mittel der Wahl. Und schon lauert die nächste Verführung um die Ecke.
Mal schnell SLA´s und OLA´s einführen, damit das notwendige Handwerkszeug für BCM zur Verfügung steht. Der nächste Abzweig vom BCM-Pfad der Tugend zu einem ganz langen und mühsamen Umweg, der vielleicht niemals zum eigentlichen Ziel führt. Das Schöne, aber auch die Krux an BCM ist die interdisziplinäre Arbeit. Der Hauptgrund, warum ich an diesem Thema kleben geblieben bin. Genau diese übergreifende Arbeit macht das BCM so verführerisch. Da hilft nur eiserne Disziplin, die Kraft “nein” zu sagen und die Fähigkeit Kompromisse einzugehen.  Damit unser eigentliches Ziel, das BCM, nicht auf der Strecke bleibt.

Ich wünsche Ihnen schöne Osterfeiertage

Matthias Hämmerle MBCI

One Response

  1. Uwe Naujoks

    Hallo lieber Matthias,
    hallo liebe BCM Gemeinde 🙂 ,

    auch von meiner Seite wünsche ich allen ein frohes Osterfest.

    Mit viel “Schmunzeln” und häufigem “Kopfnicken” habe ich den “verführerischen Artikel” gelesen. Neben den BCM Managern unter Ihnen/Euch müssten eigentlichen den anderen(TOP) Managern die Ohren geklungen haben bei den vielen Wahrheiten in diesem Artikel.

    Es ist doch immer wieder schön, wenn es mit dem BCM Manager jemanden gibt, der soviele “gute Ideen” hat und an den man dann all die vielen Aufgaben deligieren kann und der dann natürlich auch den “schwarzen Peter” hat, wenn es nicht klappt.

    Wie Du, Matthias, auch geschrieben hast, ist es aber trotz und gerade wegen aller “Ironie” wichtig, miteinander zu reden und die Zielsetzung der “Notfallfähigkeit” des Unternehmens” immer im Auge zu behalten.

    In diesem Sinne einen guten Start nach den Feiertagen und viele interessante und vor allem zielführende Gespräche, dann “klappt es auch mit dem Business Continuity Management” :-).

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