BCM-Awareness – die schwierige Gipfelbezwingung

Diese Woche ist internationale BCM Awareness Week. Das Bewussstsein für Business Continuity Management soll in den Organisationen geweckt werden. Doch welche Ziele sollen mit der sagenumwobenen “BCM-Awareness” erreicht werden und wer sind ausgehend von diesen Zielen die Adressaten, die wir ansprechen müssen? Erst aus dieser Erkenntnis lassen sich zielgerichtete Awareness-Maßnahmen ableiten. Eine Quelle für die Definition von BCM-Awareness ist der Entwurf des neuen ISO-Standards für BCM ISO 22313:

“Persons working under the organization’s control should have appropriate awareness of the BCMS. Such persons may include staff, contractors, partners, suppliers. They should be aware of the business continuity policy and:

  • their role and responsibility with regard to incident prevention, detection, mitigation, self-protection, evacuation, response, continuity and recovery;
  • the importance of conformity with business continuity policy and procedures;
  • the implications to BCM of changes in the operation of the organization;
  • their contribution to the effectiveness of the BCMS, including the benefits of improved business continuity management performance; and
  • their role and responsibility in achieving conformity with the requirements of the BCMS and reporting of potential hazards or threats.”

Der Entwurf des Standards fasst den Personenkreis sehr weit, sogar über die eigene Organisation hinausgehend, indem Dienstleister, Lieferanten und Geschäftspartner mit einbezogen werden. Die Umsetzung eines solchen Anspruchs stellt einen Business Continuity Manager vor geradezu heroische Aufgaben. Guten Projektmanagementpraktiken folgend müssen große Aufgaben in überschaubare Teilaufgaben zerlegt und priorisiert werden. Bergsteiger packen einen großen Berg von unten an und arbeiten sich in Etappen mit Nachtlagern zum Ziel nach oben. Für das Business Continuity Management würde ich den umgekehrten Weg empfehlen. Die Rückendeckung und Unterstützung der Unternehmensleitung ist einer der wesentlichen Erfolgsfaktoren für eine erfolgreiche Umsetzung des BCM in der Organisation. Um im Bild zu bleiben, der erfolgreiche Gipfelsturm kommt im BCM vor dem langen Aufstieg aus dem Basislager. Doch leider lässt sich die Unternehmensleitung selten für BCM im Sturm nehmen. Die Argumente sind bekannt: BCM bringt keinen Umsatz und Ertrag, bindet aber Mitarbeiterkapazitäten und Budget. Der Nutzen ist eher hypothetisch und theoretisch bis zum Tag X, der glücklicherweise vielen Organisationen erspart bleibt. Aber auch ein BCM-Fall führt nicht zwingendermaßen zur Einsicht. Bei regulierten Unternehmen wie Finanzdienstleister, Energieunternehmen, Luftfahrt und chemischer Industrie helfen die gesetzlichen und regulatorischen Anforderungen an das BCM. Prüfungsgesellschaften haben ihr Know How in den vergangenen Jahren im BCM stetig weiterentwickelt. Wenn schon BCM nicht aus Überzeugung gemacht wird, dann wenigstens aus der Not, den aufsichtsrechtlichen und gesetzlichen Verpflichtungen gerecht zu werden und einen negativen Eintrag im Prüfungsbericht zu vermeiden. Für die Umsetzung des BCM bildet dies eine Ausgangsbasis, doch BCM-Awareness ist dies bei weitem noch nicht. Viele strategische Entscheidungen und Weichenstellungen, die in der Geschäftsführung getroffen werden haben eine Implikation auf die Notfallvorsorge. Hierzu gehören zum Beispiel Entscheidungen über Standorte, neue Produkte, und Supply Chain Strategien. Die Erdbeben in Japan und Neuseeland haben zum Beispiel bei einigen Unternehmen zu einem Überdenken der Supply Chain- Strategien geführt. Rein betriebswirtschaftlich sinnvolle Single Sourcing Strategien werden wieder relativiert, um eine höhere Widerstandskraft “Resilience” gegenüber Unterbrechungen in der Lieferkette zu erreichen. Bei einer ausgeprägten BCM-Awareness wären diese Gedanken nicht erst mit Eintreten dieser Unterbrechungen gemacht worden, sondern frühzeitig bei der Festlegung und Umsetzung der Einkaufsstrategie. Die Notfallvorsorge steht bei diesen Entscheidungen häufig in Konflikt mit anderen betriebswirtschaftlichen Effizienz-Zielen. Doch wie kann dieser “Gipfelsturm” bei der Unternehmensleitung gelingen? Ein wichtiges Instrumentarium bildet die BCM Policy, die vom Vorstand bzw. der Geschäftsführung quasi als Willenserklärung unterschrieben wird. Ein zweites wichtiges Instrument sind Übungen des BCM und Krisenmanagement. Über realitätsnahe Szenarien der Übungen lassen sich Auswirkungen von Entscheidungen unmittelbar erleben. Auch Simulationsspiele unterstützen die Implementierung von BCM-Awareness. Ist der Gipfel erst einmal genommen, lässt sich von dort aus viel leichter der restliche Berg erobern.

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