Wie ein Unternehmen einen schweren Notfall mühsam überwindet
Dokumentierte Beispiele von Unternehmen, die einen schweren Notfall überwunden haben, sind selten. Noch immer geistern Prozentzahlen durch die BCM-Welt, wieviele Unternehmen nach einem Notfall untergehen würden. Doch belegt sind keine dieser Statistiken, nur oft genug wiederholt. In der Print-Ausgabe der heutigen FAZ ist ein interessanter Artikel, der die Überwindung eines Notfalls durch einen Großbrand beim Armaturenhersteller Dornbracht beschreibt. Doch dieser Fall hat noch weit mehr interessante und dramatische Aspekte, als in dem Artikel beschrieben. Am 22. Juli 2009 brach bei der Farben- und Lackfabrik Weka in Sümmern/Iserlohn ein schweres Feuer aus. Mehr als 200 Feuerwehrleute ware im Einsatz, um den Großbrand zu löschen. Sie konnten jedoch nicht verhindern, dass das Feuer auf das Werk der direkt benachbarten Armaturenfabrik Dornbracht übergriff. Dreißig Prozent der Produktionsanlagen des renommierten und hochpreisigen Armaturenherstellers wurden ein Raub der Flammen. Darunter auch die wichtige Oberflächenveredelung. Der gesamte Versicherungsschaden inklusive Produktionsausfall belief sich auf rund 138 Millionen Euro. Feuerschäden waren von Dornbracht bei einem Versicherungskonsortium unter Führung der britischen RSA (vormals AIG Deutschland) bis zu einer Höhe von 125 Millionen Euro versichert. Die Produktion konnte Dornbracht mit Hilfe eines benachbarten Wettbewerbers und der Lieferanten nach elf Wochen mit einem reduzierten Sortiment wieder in Gang bringen. Doch gingen im Jahr 2009 dem Unternehmen durch den Brand und die schwierige Wirtschaftslage 40 Prozent des Umsatzes auf nur noch 120 Millionen Euro verloren. Erst 2011 konnte mit den 600 Mitarbeitern wieder ein Umsatzvolumen von 160 Millionen Euro erzielt werden. Durch den Brand stockte die Entwicklung von Auslandsmärkten und Kunden mit Großprojekten verloren das Vertrauen. Zumindest der finanzielle Schaden durch den Brand sollte durch das Versicherungskonsortium gedeckt sein. Doch weit gefehlt. Der Versicherer Chartis, mit 25 Prozent an dem Konsortium beteiligt, weigerte sich den Schaden zu übernehmen. Im Gegensatz zu den anderen Konsortialpartnern, die ihren Teil and er Schadenregulierung übernahmen. Die Weigerung wurde von Chartis damit begründet, dass Dornbracht in einem Fragebogen des Versicherungsmaklers den benachbarten Industriebetrieb nicht angegeben habe und in den Gebäuden Styropor verbaut war. Der Fall ging vor Gericht und endete mit einem aufsehenerregenden Urteil des Oberlandesgericht Hamm gegen Chartis (20 U 38/10). Chartis wurde vom Gericht verurteilt, 25 Mio. Euro an Schadenersatz zu leisten. Das Gericht begründete das Urteil damit, dass der Fragebogen vom Makler und nicht von der Versicherung selbst stamme. Er gelte demzufolge nicht als Fragebogen des Versicherers. Bei dem Styropor hätte Chartis den Kunden ausdrücklich auf die Beeinträchtigung des Versicherungsschutzes hinweisen müssen.
Am Ende iste Dornbracht mit einem blauen Auge aus der Krise gekommen. 70 Leiharbeitnehmer mussten entlassen werden und das Wachstum des Unternehmens ist über mehrere Jahre nachhaltig beeinträchtigt. Ein Wettbewerber und die Lieferanten waren maßgeblich an der Überwindung des Notfalls beteiligt. Auch dies ein ganz wichtiger Aspekt, den ich aus eigener Industrieerfahrung nur bekräftigen kann. Es ist, zumindest in übersichtlichen Branchen des Mittelstands, keineswegs so, dass der Mitbewerb bei einem unverschuldeten Notfall die Chance ergreift, um diese Situation schamlos für sich auszunutzen. So beinhart der Wettbewerb im Alltagsgeschäft ist, bei einem Notfall trägt oftmals der sportliche Gedanke und man hilft sich gegenseitig über den Berg. Auf den Mitbewerb und die Lieferanten offensiv zuzugehen ist also eine wichtige Chance in einem Notfall. Dieses Beispiel zeigt auch wiederum wie vorsichtig mit Versicherungen und Versicherungsverträgen umzugehen ist. Die Inhaber von Dornbracht hatten in dieser Situation gewiss Besseres zu tun, als sich mit einem Versicherer vor Gericht herumzuschlagen. Dies kostet Geld, Energie und Zeit, die eigentlich für den Wiederanlauf dringend benötigt wurde. Auch für die Versicherer hat dieser Fall einschneidende Veränderungen gebracht: sie müssen sich jetzt selbst ein Bild über den Kunden machen und dürfen sich nicht auf Angaben von Maklern verlassen.
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