PAS 200 und Business Continuity Management
Mit der Veröffentlichung des PAS 200 ist das BSi daran gegangen, einen blinden Fleck in der Notfallvorsorgeplanung auszuleuchten. Matthias Hämmerle hat PAS 200 in bcm news vom 04.10.2011 bereits kurz vorgestellt und dabei zurecht auf seine große Flughöhe hingewiesen. Er richtet sich in erster Linie an das Top Management und erst an zweiter Stelle an diejenigen Mitarbeiter, die mit der Einführung, der Pflege und dem Testen der Krisenmanagement Verfahren betraut sind.
Was in der vorliegenden Spezifikation zum Krisenmanagement leider fehlt, ist die Anknüpfung an die bestehenden Organisationsformen und hier vor allem die naheliegenden Schnittstellen zu BCM. Dies schmälert den Wert des Dokuments beträchtlich. Es wird zwar vereinzelt auf den BC 25999 verwiesen, wobei die Verweise mehr der Differenzierung dienen. Krise nach PAS 200 ist nicht synonym von „Incident“ nach BS 25999.
PAS 200 definiert Krise als: „inherently abnormal, unstable and complex situation that represents a threat to the strategic objectives, reputation or existence of an organization“.
Durch die Komplexität ihrer außerordentlichen und vom Normalbetrieb abweichenden Charakteristika unterscheiden sich Krisen eindeutig von Incidents, Störungen des Normalbetriebs, von denen behauptet wird, sie hätten eine Struktur, da sie von identifizierbaren und messbaren Risiken ausgingen und sich einigermaßen vorhersehbar äußerten. Ihnen könne durch vorbereitete, strukturierte Continuity und Recovery Maßnahmen begegnet werden. Sie seien Gegenstand der Notfallvorsorgeplanung des BCM. Folglich sei es in allen BCM Notfällen Aufgabe des strategischen Managements, sicherzustellen, dass die vorbereiteten und ausgelösten BCM Pläne greifen.
Aber an dieser Stelle bleibt PAS 200 leider stehen. Dass es auch beim herkömmlichen Krisenmanagement neben der ressourcentechnischen Absicherung der BCM Pläne darum geht, die handelnden Notfallteams querschnittlich koordiniert von Mitarbeiterbetreuung, Versicherungsfragen und Ersatzbeschaffungen zu befreien und zentral die Kommunikation nach außen und nach innen zu steuern, bleibt unerwähnt. Es geht wie gesagt bei PAS 200 um Abgrenzung und Hervorhebung eines Alleinstellungsmerkmals.
„Krisenmanagement muss fähig sein, mit Problemen umzugehen, die mit BCM Verfahren nicht zu managen sind…“ (PAS 200:2011 S. 6) Dies – so wird leider suggeriert – sei das, wozu das Top Management berufen ist.
Entsprechend geht es auch in Kapitel 4 Entwicklung einer Krisenmanagement Fähigkeit nicht so sehr darum, Schnittstellen zu definieren, sondern auf bestehendes wie z.B. das Risk Assessment und die Business Impact Analyse zurückzugreifen und es für die Zwecke des Krisenmanagements anzupassen und zu verfeinern (adapt and refine). Darüber hinaus werden Neuerungen wie „horizon scanning“ und „internal vulnerability analysis“ als Bausteine einer Krisenmanagement Fähigkeit eingeführt, mit deren Hilfe es möglich sein solle, frühe und schwache Signale sich entwickelnder oder potenzieller Krisen aufzufangen – ohne zu erläutern, wie dies denn gehen soll.
Aber der PAS 200 hat auch den einen oder anderen produktiven Ansatz zu bieten. So adaptiert PAS 200 das Konzept der „Situational Awareness“ für das Krisenmanagement. Er fordert die Einrichtung einer zentralen Funktion zur Modellierung und Projektion der laufenden Ereignisse in all ihren bekannten wie auch unsicheren und unbekannten Faktoren. Ziel sei die Schaffung eines CRIP: The Common Recognized Information Picture.
Im Rahmen der Situational Awareness wird von allen Organisationsbereichen abgefragt, in wieweit sie betroffen sind, welche Auswirkungen zu beobachten und welche Folgewirkungen zu erwarten sind. Dieser nuancierte Input wird an zentraler Stelle im Krisenstab zu einem einheitlichen Lagebild zusammengeführt und zu einer querschnittlichen Lagebeurteilung verdichtet. Es bietet die Entscheidungsgrundlage für das Krisenmanagement: das CRIP oder das allgemein anerkannte Lagebild. Auf seiner Grundlage lassen sich Änderungen der Krisenkonstellation und der Begleitumstände schnell und effektiv zusammenführen.
Aber auch bei diesem, im gesamten PAS 200 am ausführlichsten beschriebenen Element des Krisenmanagements, fehlt der Hinweis auf BCM. Dabei ist dies doch eine der klassischen Funktionen des Business Continuity Managers im Krisenstab. Auch die querschnittlichen Servicebereiche geben ihren kontinuierlichen Input aus den unterschiedlichen Standorten an das Krisenmanagement. Aber nur der BC Manager im Krisenstab verfügt in der Regel über eine dezentrale Matrixorganisation aus verantwortlichen Linienmanagern in den Geschäftsbereichen. Diese wissen um die Kritikalität ihrer Prozesse, wissen um die aktuelle Betroffenheit ihrer Organisationseinheit und wissen wie und wann welche Vorsorgemaßnahmen greifen werden – und können damit die Rückmeldungen über die Betroffenheit in der geforderten Strukturierung und Präzision liefern. Hier erweist sich doch gerade der entscheidende Vorteil einer vorbedachten und strukturierten Notfallfähigkeit – auch in Krisensituationen, die sich durch Komplexität, Unsicherheit und Ungewissheit auszeichnen.
Ein Gastbeitrag für die BCM-News von
Dr. Christian Zänker
zaenker@bcmpartner.de
Bei Linkedin gibt es übrigens eine eigene Gruppe zum PAS 200 (PAS 200 Crisis Management Standard)