Vollpension für die Mitarbeiter – wie zwei Pharmaunternehmen das Erdbeben von L’Aquila bewältigten

In der FAZ-Ausgabe vom 7. April 2010 berichtet Tobias Piller in seinem Artikel “Vollpension für die Mitarbeiter” wie zwei von dem Erdbeben am 6. April 2009 in L’Aquila betroffene Pharmaunternehmen mit der Katastrophe fertig wurden. In der Erdbebenprovinz gibt es drei Pharmaunternehmen, die alleine mehr als drei Viertel der Ausfuhren aus der Provinz bestreiten.

Eines davon ist das Pharmaunternehmen Dompé. Die größte Sorge des Unternehmens nach dem Beben galt zunächst den eigenen Mitarbeitern. Hierzu wurde kurzerhand ein externes Call Center beauftragt, das versuchte alle Mitarbeiter zu erreichen um nach der Wohnsituation und den dringendsten Bedürfnissen zu fragen. Das Call Center wurde in den folgenden Wochen eine wichtige Einrichtung, um den Kontakt zu den Angestellten und deren Familien zu halten. Zumal nur 20 Prozent der Mitarbeiter in den eigenen vier Wänden bleiben konnten. Die anderen Mitarbeiter mussten in Notunterkünften untergebracht werden. Anfangs mangelte es an Bargeld, da die Geldautomaten nicht mehr funktionierten. Mit Hilfe einer Feldküche wurden die Mitarbeiter versorgt und mit Hilfe von 22 gemieteten Fahrzeugen von den bis zu 100 Kilometer entfernten Notunterkünften zur Arbeit gebracht und wieder zurück. Zinslose Kredite bis zu 10.000 Euro linderten die erste große Not der Mitarbeiter.  Das Pharmaunternehmen von Sanofi-Aventis löste diese Problematik anders. Für die obdachlosen Mitarbeiter wurde auf dem Firmengrundstück eine Zeltstadt für 200 Menschen mit Großküche und Kinderbetreuung eingerichtet. In wenigen Kilometern Entfernung wurde für 6 Millionen Euro eine neue Siedlung für 500 Bewohner gebaut. Dank des großen Engagements der Mitarbeiter konnten innerhalb von vier Wochen die ersten Fabrikationslinien wieder angefahren werden.

Diese Beispiele zeigen, wie elementar und doch komplex die Bedürfnisse nach einer Katastrophe sind. Zunächst einmal die Kommunikation mit den Mitarbeitern. Kaum ein Unternehmen ist darauf vorbereitet im Falle eines Großschadensereignisses mit den Mitarbeitern kommunizieren zu können. Dies erfordert die Kapazitäten eines professionellen Call Centers und die Verfügbarkeit der Kontaktdaten. Zudem bedarf es geschulten Personals, um die Mitarbeiter in dieser Situation angemessen betreuen zu können. Insbesondere wenn das Schadensereignis Verletzte und Tote unter den Mitarbeitern gefordert hat. Die Versorgung mit Bargeld ist ein weiteres kritisches Thema bei Naturkatastrophen. Wir sind es gewohnt, im Alltag mit immer weniger Bargeld aus zukommen. Schließlich kann man “mit Karte bezahlen” und an jeder Ecke gibt es einen Geldautomaten. Fällt die Bargeldversorgung allerdings zum Beispiel wegen Stromausfall aus,  nutzen auch gut gefüllte Läden nichts. Fehlendes Bargeld war auch eines der großen Probleme nach dem Erdbeben in Chile, wo Banken und Geldautomaten tagelang ausgefallen waren. Auf der anderen Seite zeigen dieses Beispiele wiederum eindrücklich, wie wichtig das Engagement der Unternehmen für ihre Mitarbeiter war. Die Mitarbeiter haben mit ihrem großen Engagement dazu beigetragen, die Fabriken schnell wieder ans Arbeiten zu bringen, um die Verluste zu reduzieren und gleichzeitig die Arbeitsplätze zu sichern. Das Engagement der Unternehmen für ihre Mitarbeiter hat sich ausgezahlt und zu einem großen Zusammenhalt bei der gemeinsamen Bewältigung der Katastrophe geführt.

Im BCM-Jargon reden wir in diesem Zusammenhang von einem Care-Konzept und Care-Giving im Notfall. In der Schweiz wurde hierfür das spezialisierte Unternehmen CareLink gegründet, über das die bcm-news bereits mehrfach berichtet haben. CareLink stellt im Falle einer Katastrophe mit Hilfe von geschultem Personal und spezialisierten Systemen Dienstleistungen für das Care-Giving zur Verfügung. In Deutschland verfügen die großen Unternehmen wie zum Beispiel die Lufthansa über eine eigene Care-Organisation. Oftmals nach dem Vorbild von CareLink organisiert. Kleinere Unternehmen haben natürlich nicht die Ressourcen eine eigene Care-Organisation aufzubauen und eine vergleichbare Einrichtung wie CareLink gibt es in Deutschland leider noch nicht.

Die beiden Beispiele aus Italien zeigen uns aber deutlich auf, wie notwendig diese Hilfeleistungen für die Mitarbeiter aber auch schlussendlich für das Überleben des Unternehmens im Katastropenfalle sind.

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