Spektakuläre Szenen beim 2. BSi BCM Forum auf dem Frankfurter Flughafen
Heiß her ging es beim 2.BSi Forum Business Continuity Management am 16.06.09 auf dem Frankfurter Flughafen. Die Veranstaltung fand in Zusammenarbeit mit der Fraport AG statt, die auf dem Vorfeld des Frankfurter Flughafens eine eindrucksvolle Vorführung der Leistungsfähigkeit ihrer Flughafen-Feuerwehr zeigte.
Dieses Bild zeigt den Löschangriff des Feuerwehr-Trupps auf eine Flugzeugattrappe, nachdem bereits ein Spezial-Löschfahrzeug der Flughafen-Feuerwehr den Flugzeugrumpf mit reichlich Wasser gekühlt hatte, damit die Insassen überhaupt eine Überlebenschance in solch einer Situation haben.
“Krisenmanagement in der Praxis” war das Motto dieser Veranstaltung. Und sehr praxisorientiert war der Tag auch organisiert. Neben der spektakulären Löschaktion auf dem Vorfeld des Frankfurter Flughafens gab es interessante Einblicke in das Sicherheits- und Notfallmanagement der Fraport AG am Frankfurter Flughafen mit Vor-Ort-Besichtigungen der Räumlichkeiten, die vor Kurzem noch anlässlich der Schweinegrippe in voller Aktion waren. Abgerundet wurde der Tag durch Vorträge zur Krisenkommunikation von Frau Dr. Susanne Lapp (Leiterin Interne Kommunikation Fraport AG) und zu Interaktion und Kommunikation in Krisensituationen von Axel Bédé. Den Abschluss des – im wahrsten Sinne – bewegten Tages bildete eine Podiumsdiskussion und der Vortrag des eigens aus Großbritannien angereisten CEO von BSi Howard Kerr.
Volker Zintel (Generalbevollmächtigter für den Strategischen Geschäftsbereich “Airport Security Management” der Fraport AG) gab zum Auftakt interessante Einblicke in die Herausforderungen, die ein so gigantischer Flughafen an die Sicherheit stellt. So stellte Herr Zintel in senem Vortrag heraus, daß 100-prozentige Sicherheit nie gewährleistet werden kann, da der Flughafen auch zu jeder Zeit wirtschaftlich und effizient funktionieren muß. Es gab nur einen Tag, an dem 100%ige Sicherheit gegeben war: als ein Streik der ÖTV den Flughafen für einen Tag komplett lahmlegte.
Der Frankfurter Flughafen ist gemessen an der Anzahl der Passagiere der drittgrößte Flughafen Europas (nach London Heathrow und Paris Ch. de Gaulle). Ein paar Zahlen verdeutlichen die Größenordnungen:
- 119 Airlines starten zu 304 Zielen in 106 Ländern
- täglich sind im Durchschnitt 145.000 Passagier zu befördern (53% sind Umsteiger)
- 74.700 Gepäckstücke und 5.600 Tonnen Fracht sind täglich zu befördern
- Hinzu kommen täglich 20.000 Beschäftigte, 15.000 Abholer und 3.000 Besucher, so daß sich jeden Tag ca. 183.000 Personen auf dem Flughafengelände bewegen
- Das Flughafengelände hat eine Größe von 19,6 km² , dies entspricht der Fläche der Frankfurter Innenstadt (mit 31 km Grundstücksaussenzaun und 20 km Zaun um den Sicherheitsbereich)
- Für 97.000 Personen sind Berechtigungsausweise zu administrieren. Diese Personen arbeiten allerdings für insgesamt 4.400 Arbeitgeber – eine ganz besondere Herausforderung.
Die zentralen Bedrohungslagen, denen sich die Fraport AG gegenübersieht sind nicht in erster Linie Flugunfälle:
- Bedrohungen durch Terrorismus (Flugzeugentführungen, Sprengstoffanschläge und Selbstmordattentäter)
- Unfälle, Notfälle und Großschadensereignisse (vom Rolltreppenunfall bis zum Flugunfall)
- Allgemeine Kriminalität
- Pandemien
bilden eine breite Bedrohungslage.
Die zahlreichen Brandmelder meldeten 2008 2.600 Feueralarme, davon 350 tatsächliche Brände. 4.500 Rettungs- und Notarzteinsätze waren durchzuführen und es gab 110 Sicherheitslandungen.
Dieses Sicherheitsmanagement gewährleisten über 9.500 Mitarbeiter am Frankfurter Flughafen, davon 4.500 Mitarbeiter der FraSec für die Bereiche Luftsicherheit und Flugsicherheitsdienste.
Nina Reitz, Leiterin Notfallmanagement der Fraport AG, erläuterte in Ihrem Vortrag anschliessend den Aufbau der Notfallmanagements. Die Schwerpunkte des Notfall- und Krisenmanagements haben sich in den vergangenen Jahren verlagert, erläuterte sie. Standen zu Beginn Großschadensereignisse mit Luftfahrzeugen im Vordergrund, hat sich mit dem Brandereigniss am Düsseldorfer Flughafen der zwischenzeitliche Schwerpunkt auf den Brandschutz verlagert. Den Schwerpunkt in der Zukunft sieht Reitz allerdings in den Bedrohungen durch Terrorismus und Pandemien.
Das Notfallmanagement gliedert sich in die Bereiche Notfallplanung und der Notfallvorsorgeeinrichtungen. Die Notfallplanung ist in der BA-NOT (Betriebsanweisung für Notfälle) dokumentiert. Die BA NOT enthält Alarmpläne, Notfallverfahren sowie Begriffsdefinitionen.
Zu den in der BA-NOT definierten Verfahren gehören beispielsweise Absperrung und Zugangskontrolle, Betreuung Unverletzter, Leichen, LFZ-Bergung und Öffentlichkeitsarbeit sowie Infektionsabwehr.
Die Experten der Fraport AG beraten auch lokal und global Unternehmen aus dem Luftfahrtbereich im Bereich Notfallplanung.
Die Notfallvorsorgeeinrichtungen bestehen aus dem ERIC (Emergency Response and Information Center), der Notfallinformationszentrale (NIZ) und dem Betreuungsdienst (KIT – Kriseninterventions Team).
Herr Hahn, Leiter Flughafenbrandschutz, erläuterte anschliessend die Aufgaben der Flughafenfeuerwehr.
166.000 dokumentierte sicherheitsrelevante Ereignisse und ca. 5.500 Feuerwehreinsätze jedes Jahr halten die 350 Mitarbeiter des Werksschutzes, des Rettungsdienstes und die 234 Mitarbeiter der Werkfeuerwehr auf Trab. Koordiniert werden sie von 36 Mitarbeitern in der Sicherheitsleitstelle.
In zwei Minuten soll, in drei Minuten muß an jeder Stelle des Start- und Landebahnsystems mit wirksamen Lösch- und Rettungsarbeiten begonnen werden, so die zwingende Vorgabe.
Das reicht Herrn Hahn allerdings noch nicht aus. Eine der besten privaten Feuerwehren Europas zu sein, definiert Hahn als Vision für seinen Bereich. Daß dies schon sehr weit gelungen ist zeigen die 2.000 internationalen Schulungsteilnehmer, die in Frankfurt bereits ausgebildet wurden.
Eines dieser Teams aus dem arabischen Raum war dann anschliessend bei dem “heißen Event” auf dem Vorfeld auch im Einsatz. Mit Bussen ging es auf das Vorfeld zu einer Flugzeugattrappe. Die dann auflodernden Flammen haben es sogar den Zuschauern in Sicherheitsentfernung ordentlich warm werden lassen. Ein Löschfahrzeug kühlte dann zunächst den Flugzeugrumpf mit Wasser, damit die Insassen eine Überlebenschance in der Hitze haben. Anschliessend rückte der Löschtrupp mit zwi Schläuchen an. Das Feuer, per Computer gesteuert, loderte immer wieder an verschiedenen Stellen auf, so daß die Feuerwehrleute ganz schön zu kämpfen hatten. Doch ihre schweißtreibende Arbeit war erfolgreich – der Brand gelöscht. Nun ging es an die Bergung der Passagiere.
An einem zweiten Simulator wurde die Bergung von Personen aus einem Flugzeug simuliert. Zunächst musste die Turbine gelöscht werden. Dann ging es über die Tragfläche ins Flugzeuginnere. Aus dem Simulator qualmte es heftig. Die Sicht innen muß null gewesen sin.
Beide Demonstrationen haben gezeigt, warum Piloten bei einem Notfall in Deutschland in erster Linie versuchen in Frankfurt zu landen, um die bestmögliche Unterstützung zu erhalten.
In drei verschiedenen Gruppen ging es anschliessend in die Räumlichkeiten des ERIC (Krisenstabs- und Operatorraum), der Notfallinformationszentrale (NIZ) und des Kriseninterventionsteams (KIT).
Ein Mitarbeiter von Fraport erläuterte kurz jeweils die Funktionsweise der Einrichtung und stand für Fragen zur Verfügung. Eine Besonderheit des Notfallmanagements bei Fraport sind die Notfallinformationszentrale und das Kriseninterventionsteam. Das NIZ ist im Prinzip ein Call Center, in dem bei einem Schadensereignis die Anfragen von Angehörigen eintreffen. Die 90 freiwilligen Mitarbeiter und 10 Führungskräfte sammeln die Informationen, geben Informationen an zuständige Behörden weiter und informieren Angehörige, wenn es gesicherte Informationen gibt.
Das Kriseninterventionsteam dient der Betreuung von Betroffenen, wie Abholer, Angehörige, gegebenenfalls Unverletzte bei Schadensereignissen. 135 freiwillige Betreuer und 20 Koordinatoren verfügen über Räumlichkeiten, in denen sie den Betroffenen psycho-soziale Betreuung zukommen lassen können, aber auch die Grundversorgung mit Essen und Trinken gewährleisten. Auch an einen Andachtsraum ist gedacht. Die freiwilligen Mitarbeiter des KIT üben regelmäßig für ihre Einsätze unter anderem mit einer Schauspielgruppe.
Nach dem Rundgang durch die Räumlichkeiten stellte Frau Dr. Susanne Lapp das Krisenkommunikationskonzept der Fraport vor. Zentrale Komponente ist das “One-Voice-Office OVO”. Das OVO ist die “Einsatzzentrale für die Krisenkommunikation” in der die Entscheider versammelt werden, die für die kommunikative Bewältigung der Lage erforderlich sind. Dies sichert eine “Kommunikation aus einem Guss” gegenüber den Anspruchsgruppen. Das OVO arbeitet sehr eng mit den anderen Organisationen den Notfallmanagements zusammen und legt Sprachregelungen, Kommunikationsmaßnahmen sowie die Kommunikationsmittel fest.
Herr Axel Bédé (Trainer und Consultant für Security Managment) berichtete in seinem Vortrag zu “Teamarbeit und Führung in Krisensituationen” welche besondere Anforderungen auf die Teammitglieder eines Krisenstabs in einer solchen Ausnahmesituation zukommen. Als Erfolgsfaktoren für ein Hochleistungsteam identifiziert Bédé ein klares Rollenkonzept, in dem die Profilierung der Integration weicht sowie ein gemeinsames Verständnis der Beteiligten für die Krisensituation. Die Organisation des Krisenstabs mit klaren Funktionen, Rollen und Prozessen sowie eine störungsfreie Kommunikation der Mitglieder des Krisenstabs bilden die weiteren Erfolgspfeiler. Die Erzeugung eines “shared mental models” gehört demzufolge auch zu den zentralen Aufgaben eines Leiters Krisenstab. Schwerpunktsetzung, konsequentes Zeitmanagement, Moderation und natürlich entscheiden sieht Bédé als Hauptaufgaben des “primus inter pares”.
Für Fragen und Diskussionen waren in diesem eng gesteckten Programm bislang wenig Platz. Daher gab es jetzt die Gelegenheit zu Austausch im Rahmen einer Prodiumsdikussion.
Teilnehmer der Podiumsdikussion waren
- Volker Zintel (Generalbevollmächtigter Airport Security Management Fraport AG)
- Dr. Gert Evers (GertEvers Consulting, freier Unternehmensberater für BCM und Notfallmanagement)
- Claudia George (Leiterin Vertrieb BSi)
- Axel Bédé (Dozent im Bereich Notfall- und Krisenmanagement, Kriminaloberrat im LKA Berlin)
- Moderator: Matthias Hämmerle
“Planung versus Panik – Krisenmanagement im Unternehmen”, so lautete das Motto der Plenumsdikussion, durch die ich führen durfte.
Welches sind die kritischen Erfolgsfaktoren für ein funktionierendes Krisenmanagement? Ein Krisen- und Notfallmanagement in der Ausprägung von Fraport benötigen nur wenige Unternehmen, da die Anforderungen nicht so hoch sind, aber was ist auch für kleinere Unternehmen essentiell?
Volker Zintel erläuterte dies an dem Beispiel der aktuellen Pandemie. Es kann jedes Unternehmen treffen. Eine sorgfältige Abwägung der Maßnahmen ist damit eines der Kernelemente eines guten Krisenmanagements. Das Screening aller Passagiere in der aktuellen Pandemie-Situation hätte den Betrieb auf dem Flughafen zum Erliegen gebracht und massive wirtschaftliche Schäden nach sich gezogen. Die Abwägung der erforderlichen Maßnahmen – in Abstimmung mit den zuständigen Behörden, Kunden und weiteren Interessengruppen – ist daher essentiell für ein wirkungsvolles Krisenmanagement. Diese besondere Bedeutung der Abstimmung des Notfall- und Krisenmanagements mit relevanten Organisationen ausserhalb des Unternehmens machte in der Diskussion auch Herr Hahn, Leiter des Flughafenbrandschutzes der Fraport AG deutlich. Wenn die freiweillige Feuerwehr zu einem Brand kommt, wird sie den Brand löschen, das Restwasser stehen lasen und wieder abrücken – sofern vorher keine detailierten Absprachen über das Vorgehen in einer solchen Situation getroffen wurden. Die Betreuung von Betroffenen bei einem Großschadensereignis, aber auch bei Amokläufen oder Überfällen scheint in den meisten Unternehmen noch entwicklungsfähig zu sein. Dies bestätigte auch Gert Evers, BCM-Consultant mit langjähriger Erfahrung. Hier ist mit Sicherheit noch Bewusstseinsbildung zu schaffen. Hoffentlich nicht durch ein tragisches Ereignis wie ein Flugzeugabsturz, der für Fraport den Anstoß zur Implementierung des Care-Konzepts gab.
Dass ein Krisenmanagementkonzept auch für kleine und mittelständische Unternehmen notwendig ist bestätigte auch Axel Bédé aus seiner umfangreichen Erfahrung auf diesem Gebiet. Ein Brand in der Produktion kann ein Unternehmen schnell in eine existenzbedrohende Lage bringen. Krisenmanagement und Krisenkommunikation ist dann gefordert, um den Schaden zu begrenzen und das Unternehmen handlungsfähig zu machen.
Ist ein Notfall- und Krisenmanagement erfolgreich implementiert, stellt sich die Frage, ob eine Zertifizierung des BCM sinnvoll oder gar notwendig ist. Den Standard hierfür gibt es mittlerweile in Form des BS 25999-2. Doch gibt es in Deutschland noch keine Zertifizierung nach diesem Standard. Auch das Publikum auf dieser Veranstaltung zeigte sich zurückhaltend was eine konkrete Zertifizierung des BCM anbelangt. Auf der einen Seite wurde dies mit den einmaligen und laufenden Kosten der Zertifizierung begründet. Auf der anderen Seite gibt es inhaltliche Überschneidungen der Zertifizierungsnormen für ein Managementsystem zum Beispiel mit der Informationssicherheit und dem Qualitätsmanagement. Hier stehen die Unternehmen vor der Herausforderung die Schnittstellen zwischen diesen Zertifizierungen zu managen, um Doppelarbeiten zu vermeiden.
Zertifizierung war auch das Thema des Abschlussvortrags von Howard Kerr, Chief Executive des BSi. Weltweit wurden bislang ca. 50 Zertifikate für das Business Continuity Management durch das BSi vergeben. Schwerpunkte sind Unternehmen in Asien (15) und Großbritannien (20). Interessanterweise sind dies vor allem Unternehmen, die bislang keine weiteren Zertifizierung haben, mit BCM also die erste Zertifizierung durchführen. Der Branchenschwerpunkt der ausgegebenen Zertifikate liegt auf der Öl- und Gasindustrie, Telekommunikation, Outsourcing, Service-Dienstleister und Finanzdienstleister.
Der Standard BS 25999-2 ist einer der Quellen für die Entwicklung der neuen ISO-Standard-Reihe für Business Continuity Management (ISO 22399, ISO 23001). Der BS 25999-2 ist damit zukunftssicher, motiviert Kerr die Zuhörer in seinem Vortrag für eine Zertifizierung.
Die Verlosung eines BSi-Trainings bildete den Abschluss dieser Veranstaltung, die uns interessante Einblicke in das Notfall- und Krisenmanagement der Fraport AG gegeben hat und viele Anregungen für die eigene Arbeit im eigenen Unternehmen, wie mir viele Teilnehmer berichtet haben.
Hier gibt es noch weitere Bilder der Veranstaltung.
Als Mitglied des Organisationsteams freue ich mich sehr über Rückmeldungen von den Teilnehmern zu der Veranstaltung hier im Forum (Lob, Kritik, Anregungen sind willkommen!).
Sie haben Bilder von der Veranstaltung, die Sie gerne dem Bilderpool beisteuern wollen?
Sehr gerne, einfach die Bilder per email (möglichst gezippt) an admin@bcm-news.de senden.
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