Public Private Security – Schutz kritischer Infrastrukturen
Bei der Implementierung des BCM gehen Unternehmen, wie auch die Bevölkerung davon aus, dass für die notwendigen kritischen Infrastrukturen (KRITIS) entsprechende Vorsorgemaßnahmen für Katastrophenereignisse durch Behörden in Verbindung mit den KRITIS-Betreibern geleistet werden.
Diese Zusammenarbeit war Themenschwerpunkt der Veranstaltung “Public Private Security – Schutz kritischer Infrastrukturen” vom 30. März bis 01. April 2009 in Berlin.
Zu diesen kritischen Infrastrukturen zählen (laut Aufstellung des BSI):
- Transport und Verkehr
- Energie
- Gefahrstoffe
- Informations- und Telekommunikation
- Finanz-, Geld- und Versicherungswesen
- Versorgung (Gesundheit, Notfall- und Rettungswesen, Katastrophenschutz, Lebensmittelversorgung, Wasserversorgung, Entsorgung)
- Behörden, Verwaltung und Justiz
- Sonstiges (zum Beispiel herausragende Bauwerke und Kulturgut).
Die Sicherstellung der Funktionsfähigkeit der kritischen Infrastrukturen bei Katastrophen-Ereignissen kann nur in enger Zusammenarbeit zwischen staatlichen Behörden und den überwiegend privaten Infrastrukturbetreiber erfolgen.
Bereits am ersten Konferenz-Tag dieser Veranstaltung wurden die größten Herausforderungen bei der Bewältigung dieser Aufgaben deutlich: die mehrdimensionalen Schnittstellen zwischen den beteiligten Parteien. Unser föderales System in Deutschland mit der Verteilung von Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortlichkeiten zwischen Bund, Ländern und Kreisen ist nur eine der Dimensionen dieser vielfältigen Schnittstellen. Denn sowohl auf Bundes- wie auch auf Länderebene gibt es wiederum mehrere Behörden, die sich miteinander abstimmen müssen (Bundesministerium des …). Ganz zu Schweigen von den Schnittstellen zu Bundeswehr, THW und anderen Organisationen im Rahmen des Katastrophenschutzes. Weitere Hauptakteure in diesem Puzzle sind die Betreiber der kritischen Infrastrukturen. Überwiegend private Unternehmen, die die Energieversorgung (Strom, Gas, Treibstoff etc.), Lebensmittelversorgung, den Zahlungsverkehr, die Information und Telekommunikation sowie das Verkehrs- und Transportwesen (z. Bsp. Flughafenbetreiber) im Katastrophenfalle sicherstellen müssen. Aber auch öffentliche Betreiber, die für Wasserversorgung und Entsorgung, Justiz , Behörden und Verwaltung verantwortlich sind.
Die Abhängigkeit von diesen kritischen Infrstrukturen ist vielen Unternehmen und der Bevölkerung nicht mehr bewusst, da wir in Deutschland eine extrem hohe Versorgungssicherheit in diesen Bereichen genießen. Durchschnittlich 20 Minuten müssen wir im Jahr auf Strom verzichten und Ausfälle von Telefonnetzen oder Wasserversorgung kennen wir nur in regional sehr begrenzten Einzelfällen.
In einem Katastrophenszenario müssen wir allerdings sowohl mit flächendeckenden, aber auch länger anhaltenden Ausfällen rechnen. Ein Pandemieszenario kann ein solches Szenario darstellen, aber auch weiträumige Stromausfälle durch Hitzeperioden, die zu Kraftwerksabschaltungen führen oder Störungen im Verbundnetz.
Eine weitere Bedrohung stellt der Terrorismus dar. Wie Frau Dr. Andrea Berner, Referatsleiterin für Geheim- und Sabotageschutz des Landesamts für Verfassungsschutz in Hamburg, in ihrem Vortrag ausführte, sind insbesondere der islamistische Terrorismus und die Gefahren durch IT-technische Angriffe aktuell relevante Bedrohungsszenarien, auf die die Schutzkonzepte auszurichten sind.
Die theoretischen Konzepte und Methoden zum Umgang mit diesen Risiken sind bekannt:
- Kritische Infrastrukturkomponenten müssen definiert werden
- Gefährdungen für kritische Infrastrukturen müssen erkannt werden
- Die Verwundbarkeit im Sinne einer Schadensanfälligkeit muß identifiziert werden
- Ein Risikoakzeptanzlevel muss festgelegt werden
- Maßnahmen müssen identifiziert und vereinbart werden
- Diese Maßnahmen müssen umgesetzt und deren Realisierung finanziert werden
- Ein laufender Wartungs- und Aktualisierungsprozess muss implementiert werden.
Peter Lauwe, Referatsleiter Zentrum Schutz Kritischer Infrastrukturen im Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK), stellte diese Vorgehensweise in seinem Vortrag vor.
Durch das BKK wird dies jetzt in einem ersten Schritt für die Stromversorgung angegangen. Denn auf die Versorgung mit Energie sind auch die weiteren Betreiber kritischer Infrastrukturen dringend angewiesen.
Wie der Vortrag des Präsidenten des THW Albrecht Broemme zu “Einsatzmöglichkeiten und -grenzen des THW bei Stromausfall” deutlich gemacht hat, sind Strom-Ersatzlösungen nur für begrenzte lokale Ereignisse und auch nur als Rückfall-Lösung verfügbar. In erster Linie sind hier also die Betreiber selbst gefordert.
Doch eine enge Zusammenarbeit zwischen den Betreibern kritischer Infrastrukturen ist erst Hoffnung und noch weit ab von gelebter Realität. So stellte Jens Hartmann, Projektleiter Krisenmanagement der EnBW Baden Württemberg AG als großer Stromversorger seine Konzepte für das Notfall- und Krisenmanagement am zweiten Veranstaltungstag vor. Viele der Kraftwerke zur Stromerzeugung liegen an Flüssen, da das Wasser zur Kühlung benötigt wird. Die Kraftwerksbetreiber unterliegen jedoch gesetzlichen Rahmenbedingungen, die eine Entnahme von Wasser zur Kühlung ab einer bestimmten Temperatur als Schwellwert nicht mehr zulassen. Dies kann bei lang anhaltenden Hitzeperioden und Niedrigwasserständen eintreten. In der Folge müssen Kraftwerke vom Netz genommen werden. Da Strom nicht auf Vorrat produziert werden kann, müssen in der Folge Netzbereiche zeitweise aus der Stromversorgung genommen werden. Dies hat diskriminierungsfrei zu erfolgen, so daß wie auf einem Schachbrett immer wieder ein Feld zeitweise von der Stromversorgung abgeschnitten wird.
Dies dürfte Frau Dr. Erika Thomae, Leiterin Konzern-Krisenmanagement der Deutsche BP AG besonders interessieren, da auch eine kurzfristige Stromunterbrechung eine Raffinerie langfristig ausser Kraft setzt. Umgekehrt waren die Tankstellenbetreiber leider bis heute nicht in der Lage, die Tankstellen mit Anschlüssen für Notstromversorgungen auszustatten. Dies hat zur Folge, daß bei einem Stromausfall leider auch kein Treibstoff mehr gezapft werden kann.
Vernetztes Denken und eine kooperative Zusammenarbeit tut also dringend Not, wenn die kritischen Infrastrukturen nachhaltig gegen Gefährdungen geschützt werden sollen.
Vor Grenzen steht auch das Gesundheitswesen zum Beispiel im Falle einer Pandemie. Wie Dr. med. Joachim Habers in seinem Vortrag zu “Sicherheits- und Gesundheitsplanung im föderalen System” ausführte, führen die Effizienzbestrebungen im Gesundheitswesen (Bettenauslastung, Verweildauer im Krankenhaus) dazu, dass die Auslastung der Krankenhäuser für den Normalbetrieb optimiert werden. Hierdurch werden jedoch die Kapazitäten für die Aufnahme und Behandlung von Patienten bei Pandemien reduziert. Ein ähnliches Dilemma das Privatunternehmen im laufenden Aus-Balancieren zwischen Kosten-Effizienz und Redundanz für Sicherheit und Resilience ständig aushalten müssen.
Vor besondere Herausforderungen ist auch die Luftfahrt gestellt. Flughäfen sind selbst vielfältigen Risiken durch Flugzeugunglücke und Terrorismus ausgesetzt. Auf der anderen Seite sind Flughäfen in Katastrophensituationen ganz besonderen Anforderungen ausgesetzt, wenn die Infrastruktur zum Transport von Hilfsmannschaften und technischem Gerät, wie auch eine große Zahl an Verwundeten in kürzester Zeit bereitgestellt werden muß. Nach dem Hurrikan Katrina 2005 musste der Louis Armstrong New Orleans International Airport (MSY) kurzfristig die Logistik für 30.000 zu evakuierende Personen und 10.000 Verletzte bereitstellen. Daneben kam auf diesem einzigen intakten Flughafen in der Region die gesamte Rettungsorganisation mit acht mobilen Krankenhäusern, unzähligen Helfern und technischem Gerät auf diesem Flughafen an. Der Flughafen versank daraufhin im organisatorischen und logistischen Chaos. Selbst ein neu eingesetztes “command and coordination team” vermochte das Chaos in einem Umfeld von konkurrierenden Hilfsorganisationen nicht vermindern.
Wie die Fraport AG auf einen Notfall auf dem Flughafengelände Frankfurt vorbereitet ist, demonstrierte Friedhelm Jungbluth, Leiter Operation Flughafensicherheit, mit einem Filmbeitrag über eine von der ICAO (Internationale Organisation der zivilen Luftfahrt) vorgeschriebene Übung, die alle zwei Jahre durchzuführen ist. Mit täglich 181.500 Passagieren, 77.900 Gepäckstücken, 5.700 Tonnen Fracht und durchschnittlich 1.350 Flugbewegungen ist die Fraport AG vor ganz besondere Herausforderungen in der Risikovorsorge gestellt. Denn nicht nur die Sicherheit muß gewährleistet werden, sondern vor allem ein reibungsloser Flugbetrieb und eine schnelle Abfertigung. Ein Balanceakt der besonderen Güte der hier jeden Tag neu bewältigt werden muß.
Von einer ganz besonderen Herausforderung wussten auch die schweizer Kollegen zu berichten. Das jährlich stattfindende World Economic Forum in Davos ist Gastgeber für die Weltpolitik und Prominenz aus Wirtschaft und Gesellschaft. Die Erarbeitung des Sicherheitskonzepts zum Schutz dieser Personen und der Veranstaltung beginnt unmittelbar nach jeder Veranstaltung wieder aufs Neue für das folgende Jahr. Hauptmann Marcel Suter, Stabschef/ Chef Planung und Einsatz, Kantonspolizei Graubünden schilderte die Aufgabe, die öffentlichen und privaten Sicherheitsdiensten sowie die Schweizer Armee jedes Jahr neu zu einem schlagkräftigen Team zu formen, das den sich verändernden Herausforderungen durch extreme Kälte und neue Bedrohungslagen gewachsen ist.
Marco Cortesi, Leiter Mediendienst der Stadtpolizei Zürich zeigte an ganz praktischen Beispielen, welchen Herausforderungen das Krisenmanagement in der heutigen Medienwelt ausgesetzt ist. Die Medien sind innerhalb von Minuten am Unglücksort, fordern Informationen und sind auf der Suche nach Bildern. Auf der anderen Seite haben Pressesprecher und Unternehmensvertreter nur einen Slot von wenig mehr als einer Minute, um ihre Botschaft herüberzubringen. Dies geht natürlich nicht ohne eine gute Vorbereitung im Rahmen des Krisenkommunikationsmanagements.
Der dritte Tag der Veranstaltung bestand aus einem Workshop, an dem die Teilnahmer in praktischen Übungen die Methoden und Vorgehensweisen praktisch erproben und die Herausforderungen “am eigenen Leib” erfahren konnten.
Die Veranstaltung hat gezeigt, daß noch gewaltige Herausforderungen zu bewältigen sind, um eine vernetzte Vorsorge für unsere kritischen Infrastrukturen gewährleisten zu können. Insbesondere die Schnittsellen zwischen öffentlichem und privatem Bereich, aber auch innerhalb der jeweiligen Bereichen stellen die kritischen Erfolgsfaktoren für ein Gelingen dar. Dafür wird es noch viele Konferenzen, Gespräche und Debatten erfordern. Insbesondere die Finanzierung der Maßnahmen im Umfeld der Finanzmarktkrise aber auch die Rolle des Staats als Moderator versus Regulierer werden spannende Themen bleiben. Ich freue mich auf die nächste Veranstaltung und eine lebhafte Kommunikation (zum Beispiel im Xing-Forum).
Die Veranstaltung der Vereon AG habe ich als rundum gut organisiert erlebt. Vielen Dank an Dr. Björn Nehls und die Brüder Fichtmüller für diese interessante Veranstaltung. Gekonnt und kompetent führte uns Dr. Heiko Borchert durch die beiden Konferenztage.
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