Die Erdgasversorgung in Deutschland als kritische Infrastruktur
Der Konflikt um die Versorgung mit Erdgas zwischen dem Lieferland Russland und der Ukraine sorgt mittlerweile für erste Liefereinschränkungen in Europa. Nach einem Bericht des Handelsblatts sind Ungarn und Polen von Liefereinschränkungen betroffen.
Der Konflikt um die Gaslieferungen wirft auch ein Schlaglicht auf die deutsche Versorgung mit Erdgas. “Erdgas ist mit einem Primärenergieverbrauchsanteil von 23% nach Mineralöl der wichtigste Bestandteil des deutschen Energiemixes.
Der Erdgasverbrauch in Deutschland ist zwischen 1990 und 2005 um 42 % gestiegen und betrug 2006 rund 90 Mrd. cbm/Jahr. Im Sektor der privaten Haushalte ist Erdgas mit einem derzeitigen Anteil von ca 40% wichtigster Energieträger am Wärmemarkt.”(Monatsbericht 03-2008 des BMWi). Der Marktanteil von Erdgas steigt weiter; der BDEW (Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft) gibt den Marktanteil von Erdgas zur Beheizung von Wohnungen mit 48,3 Prozent an.
Da lediglich 15% des deutschen Erdgasverbrauchs (16 Mrd. cbm/Jahr) durch Inlandsfördeurng gedeckt werden können, müssen 85% des Erdgasbedarfs importiert werden. Nach den USA ist Deutschland weltweit der zweitgrößte Gasimporteur!
Größtes Lieferland ist mit einem Anteil von rund 35% Russland, gefolgt von Norwegen mit 27%. Weiteres wichtiges Lieferland sind die Niederlande mit einem Anteil von 20% und Großbritannien.
Die Versorgung erfolgt ausschliesslich über Pipelines aus den Lieferländern. Aus Norwegen wird das Erdgas über drei Pipelines geliefert. Rußland liefert über zwei Pipelines (Pipeline über Weißrussland und Polen sowie eine Pipeline über die Ukraine).
(Grafik: www.erdgasinfo.de)
Über die Pipelines wird das Erdgas in gasförmiger Form transportiert. Eine weitere Form ist der Transport in verflüssigter Form als LNG (Liquified Natural Gas).Hierbei wird das Gas auf minus 162 Grad Celsius heruntergekühlt und verflüssigt sich hierbei. Dieses verflüssigte Gas benötigt nur noch 1/600 des ursprünglichen Volumens. LNG wird mittels Tanker über den Seeweg transportiert.
In 2005 wurden ca. 25% des internationalen Gashandels über LNG ebgewickelt. Das Wachstum dieser Lieferform ist allerdings stürmisch, auch um eine Diversifizierung in der Versorgung aus den internationalen Lieferländern zu erreichen.
Die größten Erdgasvorräte liegen in Russland (26%), Iran (15,4%) und Katar (14,6%).
Die Gewährleistung der Sicherheit in der Gasverorgung liegt in der Verantwortung der am Gasmarkt aktiven Unternehmen in Deutschland.
Die “besorgniserregende Abhängigkeit der Gasimporte von Quellen ausserhalb der EU” (Grünbuch über die Energieversorgungssicherheit) wurde auch von der EU erkannt. Da der Gasmarkt liberalisiert ist, wurde die Notwendigkeit erkannt, gemeinsame Richtlinien für die Versorgungssicherheit mit Erdgas festzulegen. Dies erfolgte in der Richtlinie 2004/67/EG des Rates vom 26. April 2004 über Maßnahmen zur Gewährleistung der sicheren Erdgasversorgung.
Die EU-Richtlinie legt fest:
“Die Mitgliedsstaaten treffen dafür Sorge, dass Privathaushalte in ihrem Versorgungsgebiet zumindest in folgenden Fällen in ausreichendem Maße geschützt sind:
- Bei einer partiellen Unterbrechung der nationalen Gasversorgung während eines Zeitraums, der von den Mitgliedsstaaten unter Berücksichtigung der nationalen Gegebenheiten festzulegen ist;
- bei extrem kalten Temperaturen während eines auf einzelstaatlicher Ebene festzulegenden Spitzenverbrauchszeitraums;
- bei außergewöhnlich hoher Gasnachfrage in extremen Kaltwetterperioden, wie sie statistisch gesehen einmal in 20 Jahren auftreten.”
Diese Maßnahmen können auf kleinere und mittlere Unternehmen ausgedehnt werden, die nicht auf andere Energieträger ausweichen können. Es können Mindestrichtziele für Speicheranlagen festgelegt werden und die Industrie hierzu verpflichtet werden. Nationale Notfallbestimmungen können erlassen werden.
Daneben wurde eine “Koordinierungsgruppe Erdgas” eingerichtet, die die Koordinierung unter den Mitgliedsstaaten der EU unterstützt.
In Deutschland gibt es derzeit über 43 unterirdische Lagerstätten für Erdgas in Tiefen von 180 bis 3.000 Meter. Aufgrund der günstigen geologischen Struktur in Deutschland sind Unter-Tage-Speicher relativ kostengünstig realisierbar. Genutzt werden hierfür vor allem Kavernenspeicher in Salzstöcken. Durch Einpumpen von Wasser entstehen unterirdische Hohlräume mit einem Fassungsvermögen von 100.000 cbm. Das Ausspülen der Kavernen erfolgt über mehrere Jahre bis ein geeigneter Hohlraum zur Aufnahme des Gases ausgespült ist. Deutschland ist weltweit mittlerweile Technologieführer in dieser Technologie.
Die maximale Speicherkapazität für Erdgas in Deutschland reicht statistisch für etwa 80 Tage.
Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) hat in einer Presseinformation vom 1. Januar 2009 die stabile Erdgasversorgung durch die rund 700 Erdgas-Versorger in Deutschland zugesichert.
Weiterführende Informationen:
Filmbericht des heute journals zu Ergasreserven
Dokumentation über Erdgasspeicher der wiwo online
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