Steht das deutsche Stromnetz vor dem Kollaps?
Die Stromversorgung ist eine wesentliche Komponente der kritischen Infrastrukturen KRITIS in Deutschland. “Ohne Strom nix los”, kann man es auf einen kurzen Nenner bringen. Doch wie ist es um die Sicherheit in der Stromversorgung aktuell und in der Zukunft bestellt? Die deutsche Energie-Agentur dena schlägt Alarm, Nachdem Zwischenergebnisse der dena-Netzstudie II über das Handelsblatt an die Öffentlichkeit gelangten. Die Dena fürchtet bei einem weiteren Ausbau der Solarstromkapazitäten in Deutschland einen Netzkollaps. Nach Berechnungen der Dena fehlen im Hochspannungsnetz Leitungskapazitäten in einer Länge von 3.500 Kilometern. Sechs Mrd. Euro Investitionssumme sind notwendig, um diese Lücke bis 2020 zu schließen. Aufgrund des schnellen Ausbaus der erneuerbaren Energien ist die Lücke im Leitungsnetz in den vergangenen Jahren stark angestiegen. Ein Anzeichen hierfür ist die Anzahl der “Gefährdungstage”, Tage an denen der Netzbetreiber in den Stromerzeugungsmarkt zum Beispiel durch Kraftwerksabschaltungen eingreifen muß, weil zu viel Strom erneuerbarer Energien ins Netz fließt. Beim Netzbetreiber 50-Hertz, der das Übertragungsnetz im Nordosten betreibt, ist die Anzahl dieser Gefährdungstage von 80 in 2006 auf 197 in 2009 gestiegen. Alleine die Kapazität der Photovoltaik-Anlagen soll Ende 2011 30 Gigawatt betragen. An einem sonnigen Sommertag werden dann rund 25 Gigawatt Strom alleine aus Photovoltaik-Anlagen ins Stromnetz gespeist, bei einem Verbrauch von 30 Gigawatt Strom an einem Wochenende. Diese Entwicklung führt heute bereits zu temporär negativen Preisen am Energiemarkt bei Spitzen in den Stromeinspeisungen.
Technisch sind die folgenden Herausforderungen in den kommenden Jahren zu meistern, um das Stromnetz vor einem Kollaps zu bewahren:
- Netzkapazitäten für den Transport des Windstroms von der Nord- und Ostsee zu den Verbrauchern im Süden
- Neue Technologien in der Stromübertragung (Bsp. Hochtemperaturleitungen)
- Entwicklung von Stromspeicherkapazitäten
- Erhöhung der Flexibilität der Stromerzeugung und -nachfrage durch intelligente Steuerungen “smart grids” und “smart metering”.
Neben den technischen und finanziellen Herausforderungen stellen sich weitere Schwierigkeiten durch extrem lange Genehmigungsprozesse für neue Hochspannungsleitungen und den Schutz intelligenter Stromnetze vor Manipulationen und terroristischen Angriffen.
Die mittlere Nichtverfügbarkeit von Elektrizität je Netzkunde und Jahr (SAIDI = System Average Interruption Duration Index) betrug laut Bundesnetzagentur im Jahr 2007 19,25 Minuten. Dies ist im europaweiten Vergleich ein sehr guter Wert. Um diese hohe Qualität der Stromversorgung aufrecht zu erhalten, sind hohe Investitionen und schnelle Genehmigungsprozesse erforderlich. Auf das wir vom neuen Krisenhandbuch Stromausfall des BBK keinen Gebrauch machen müssen.
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